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Google wirft den Datensauger an

Google wirft den Datensauger an


Alles in einem: Mit Buzz will Google Facebook, Twitter und Co. überflüssig machen - und so im sozialen und mobilen Netz die Nummer eins werden. Doch der Service hat es in sich. Buzz katalogisiert das Privatleben seiner Nutzer wie kein anderes Netzwerk.

Was will Google mit Buzz? Die Antwort ist simpel: Der Internet-Gigant will sich das soziale Web einverleiben.

Dabei bietet Buzz eigentlich nicht viel mehr als die etablierten Social Networks Facebook oder Twitter. Am stärksten orientiert sich der Google-Dienst augenscheinlich an dem glücklosen Aggregator FriendFeed: Auch der ermöglicht das Zusammenführen von Fotos, Videos, Blog-Einträgen, Kurznachrichten, Bookmarks, also einfach von allen Äußerungen, die ein total vernetzter Digitalnomade im Laufe eines Tages so von sich gibt. FriendFeed sollte die Scherben unseres digitalen Ich zusammenkleben - und eben dieses Versprechen gibt Buzz nun auch.

Aus Google-Sicht ist der Dienst vor allem ein weiterer Datensauger. Er soll dem Konzern endlich jene Bereiche zugänglich machen, die in der umfassenden Sammlung noch fehlen: Möglichst viele Informationen über private Netzwerke, Freundschaftsbeziehungen und das Alltagsleben aller Nutzer. Es geht um die gleichen Daten, die Facebook beispielsweise schon von Hunderten Millionen Nutzern besitzt. Googles eigene Network-Bemühungen wie Orkut, das nur in Brasilien und Indien nennenswerte Erfolge verbucht, oder Profiles blieben jedenfalls bisher ähnlich erfolglos wie FriendFeed.

Sprechblasen mit Name, Adresse, Uhrzeit, für jeden sichtbar

Mit dem Buzz-Accountnamen verknüpft sind nach typischer Google-Manier eine Vielzahl weiterer Informationen: die gespeicherten Suchanfragen der vergangenen neun Monate etwa, als Google Docs gespeicherte Dokumente oder Picasa-Fotos. Bei Buzz allerdings werden die sozialen Informationen um eine zentrale Komponente erweitert: den Aufenthaltsort.

Die Buzz-Benutzeroberfläche ist in Googles E-Mail-Dienst integriert, so wurde es bei der Vorstellung des neuen Produkts am Dienstagabend unserer Zeit erklärt. Die Benutzeroberfläche dort allerdings wirkt "unpoliert, unhandlich und überflüssig", wie Netz-Unternehmer Kevin Rose ("digg") es formulierte - natürlich via Buzz.

In Wahrheit soll der Dienst wohl ohnehin nicht primär in Google Mail wohnen, sondern in den Handys seiner Nutzer. Für deutsche Frühanwender, die im Besitz eines iPhones oder eines Android-Handys sind, wurde das am Mittwoch deutlich: Zwar war Buzz noch nicht in den Mailboxen deutscher Google-Mail-Nutzer zugänglich - sehr wohl aber über Google Maps.

Wer den entsprechenden "Layer" zu Maps hinzufügte, sah sofort eine Vielzahl kleiner Sprechblasen auf der Kartenansicht. Mit einem Fingertippen ließen sich die Felder öffnen, wie man das von den anderen Informations-Icons bei Google Maps kennt. Jedes Sprechbläschen steht dabei für "einen" Buzz. Der Google-Pressesprecher summte beispielsweise aus der Konzernniederlassung, das sei heute ein interessanter Tag im Büro.

"Und Sie glauben, Facebook hat ein Problem mit Privatsphäre?"

Wo man ist, wissen aktuelle Smartphones in der Regel bereits sehr genau. Schließlich haben sie ein GPS-Modul eingebaut, und das kann per Datenverbindung jedem Dienst und jeder Applikation jederzeit den eigenen Standort mitteilen. So funktioniert auch Handy-Navigation.

Was Buzz angeht, waren in Hamburgs Innenstadt am Mittwoch augenscheinlich schon eine Menge iPhone- oder Android-Handy-Besitzer aktiv. Allenthalben konnte man mehr oder minder nichtssagende Botschaften im Stile von "Probiere gerade Buzz aus" entdecken. Verknüpft mit dem genauen Aufenthaltsort und dem Namen desjenigen, der da den Dienst testete. Ein findiger Direktvermarkter hätte sofort beginnen können, sich eine hübsche Adressdatenbank mit postalischen Angeboten für Smartphone-Zubehör, Unterhaltungselektronik oder Handy-Datentarife zuzulegen.

Das zeigt: Wer bei Buzz mitmacht, die Nutzungsbedingungen anerkennt und nicht im richtigen Moment "Nein" sagt, macht mit jedem "Buzz" öffentlich, wer er ist, wo er sich zu einem bestimmten Zeitpunkt gerade aufhält und womöglich auch, was er dort gerade macht. Und zwar nicht nur dem eigenen Freundeskreis, nicht nur den Kontakten in seinem Adressbuch, sondern einfach jedem, der Zugriff auf den "Buzz"-Layer in Google Maps hat. Soweit geht nicht einmal der ebenfalls Google-eigene Dienst Latitude. Dem muss man zumindest erlauben, die eigene Position ausgewählten Personen mitzuteilen.

"Computerworld"-Redakteurin Barbara Krasnoff kommentierte: "Google Buzz - und Sie glauben, Facebook hat ein Problem mit Privatsphäre?" Es wird also spannend sein, zu beobachten, ob der Dienst nach der ersten Staun- und Kopfschüttelphase die gleichen erbosten Reaktionen hervorrufen wird wie Facebooks radikale Neuinterpretation dessen, was standardmäßig "privat" bleiben solle.

Buzz-Nutzer sollen möglichst viel von sich preisgeben

Google kann sich auf eine bequeme Position zurückziehen: Es müsse ja niemand mitmachen, die Funktion könne man abstellen, außerdem machten andere Dienste wie das zurzeit ständig zitierte Foursquare doch längst genau das gleiche. Eines aber ist klar: Ginge es nach Google, sollen Buzz-Nutzer möglichst viel von sich preisgeben. Denn genau so ist der Dienst gestaltet.

Die totale digitale Verfolgbarkeit des Nutzers soll für Konzerne wie Google der nächste Profitbringer werden. Man soll künftig nicht nur digital, sondern auch real verortet sein. Der Nutzer soll nicht nur sehen oder lesen können, was die eigenen Freunde gerade machen, sondern auch, wo sie sind. Solche Dienste sind, wenn man daran Spaß hat, witzig, in Ausnahmefällen vermutlich auch mal nützlich. Vor allem aber bieten sie ein Potential, das Vermarktern Tränen der Freude in die Augen treiben wird. Ein Kunde, der einem sagt, wo er gerade ist! Was er tut und womöglich sogar, wofür er sich gerade interessiert! Einer, von dem man weiß, mit wem er spricht, mit wem er sich trifft, in welche Kneipen er geht! Und das alles aus erster Hand, vom Werbe-Zielobjekt selbst verraten, kostenlos!

Darum geht es - wie eigentlich bei jedem Google-Produkt - auch bei Buzz: Der Datenberg, den der Konzern über jeden seiner Nutzer angesammelt hat, soll noch größer werden, und zwar diesmal gleich um ein Vielfaches. Wer Buzz nutzen will, sollte sich dessen bewusst sein.

Gleichzeitig wird der eine oder andere Social-Media-Aficionado sagen: Was soll's, Facebook weiß ohnehin schon alles über mich. Über Twitter verrate ich auch jedem, der es lesen will, was ich gerade denke. Und bei Foursquare oder Gowalla teile ich der Welt mit, in welcher Kneipe ich gerade sitze. Kritisch sind mit Blick auf Buzz aber vor allem zwei Komponenten: Wie sehr die Daten gebündelt, wie einfach sie kombinierbar sind. Und wer darauf Zugriff hat. Netz-Unternehmer Louis Gray kommentierte in seinem Blog, Google baue seine Reichweite aus, "um noch menschlicher zu werden, um besser zu verstehen, wer Sie sind, was Sie mögen und was Sie mit anderen teilen."

Was hatte Google-Chef Eric Schmidt vor gerade mal drei Monaten gesagt, als eine Reporterin fragte, ob die Nutzer Google nicht zu sehr vertrauten, ob sie dem Konzern nicht Dinge mitteilten, die man sonst nur einem guten Freund anvertrauen würde?

"Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun."

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