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EU: Schwächen beim Schutz von Minderjährigen im Internet

Regierungsplan gegen Kinderporno-Seiten umstritten


Inhaltsverzeichnis:
1. Minderjährige sind laut EU zu wenig im Internet geschützt
2. Regierungsplan gegen Kinderporno-Seiten umstritten

1.
Minderjährige müssen nach Ansicht der EU-Kommission in sozialen Netzwerken im Internet besser geschützt werden. Darum sollten persönliche Angaben und Fotos standardmäßig nur von Bekannten eingesehen werden dürfen, forderte die Behörde in einem zum heutigen "Tag des sicheren Internets" veröffentlichten Bericht. Die Anbieter sozialer Netzwerke seien ihren Pflichten bislang nicht voll nachgekommen.
Die Kommission hatte mit externen Fachleuten rund 25 Internetangebote wie Facebook, SchülerVZ, MySpace und Youtube unter die Lupe genommen. Sie gehören zu 20 Unternehmen, die sich 2009 selbst verpflichtet hatten, den Schutz Minderjähriger im Internet zu erhöhen. Sie wollten beispielsweise Vorkehrungen gegen Pädophile verbessern, die dort Informationen über Kinder sammeln oder Kontakte zu knüpfen versuchen.

Reding fordert Unternehmen auf, mehr zu tun

Die meisten Firmen hätten die Risiken tatsächlich vermindert, "indem sie die Änderung von Datenschutz-Einstellungen, das Blockieren von Nutzern und das Löschen unerwünschter Kommentare und Inhalte erleichtert haben", urteilte die Kommission. "Ich erwarte jedoch von allen Unternehmen, dass sie mehr tun", erklärte die scheidende Medien-Kommissarin Viviane Reding, die in der neuen Kommission für Justiz und Grundrechte zuständig ist.
Besonders bemängelte die Kommission, dass nur in 40 Prozent der Fälle bei minderjährigen Nutzern die Profile standardmäßig allein von Bekannten eingesehen werden können. Ist das nicht der Fall, können sich Fremde etwa ungehindert die von Kindern und Jugendlichen eingestellten Fotos ansehen oder lesen, was diese in der Freizeit tun oder wo sie zur Schule gehen.
Die Kommission kritisierte auch mangelhafte Reaktionen auf die Bitte um Hilfe. "Nur ein Drittel der einschlägigen Unternehmen" antworte auf solche Meldungen. Und nur die Hälfte der Firmen habe es unmöglich gemacht, Profile Minderjähriger per Suchmaschine aufzuspüren.
Die in Deutschland sehr populäre Seite Schüler VZ enthalte ausführliche altersgemäße Informationen über Gefahren im Netz, heißt es in dem Bericht. Auch dass persönliche Daten standardmäßig nur für Freunde einsehbar seien, lobten die Tester. Es fehle aber eine externe Alterskontrolle, so dass sich Erwachsene auf SchülerVZ als Jugendliche ausgeben könnten. Die Tester kritisierten zudem mangelhafte Möglichkeiten, persönliche Angriffe zu melden.

Facebook macht positiven Schritt rückgängig

Den US-Giganten Facebook kritisierte Reding dafür, noch im Januar und damit nach Fertigstellung des Berichts Einstellungen so geändert zu haben, dass persönliche Daten standardmäßig Fremden offenstünden. "Facebook war einer der besten" bei der Umsetzung der Selbstverpflichtung, erklärte Reding. Sie hoffe daher, dass das Unternehmen den Schritt rückgängig mache.
Die Kommission wandte sich auch an die Nutzer selbst. Jeder zweite Teenager in Europa gebe im Netz Persönliches preis. Unter Umständen könne dies "für immer" online bleiben und von aller Welt gesehen werden. Das Motto bei Einträgen ("Posts") im Netz müsse darum lauten: "Erst denken, dann posten!"
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) forderte anlässlich des Tags des sicheren Internets in Berlin "ein staatliches Siegel" für vertrauenswürdige Internetangebote. Dies gelte nicht nur im Blick auf Minderjährige, sondern auf alle Nutzer. Der Staat und die Wirtschaft müssten mehr gegen die Sammlung und Nutzung von Daten ohne ausdrückliche Zustimmung der Verbraucher tun.
Auf der nächsten Seite lesen Sie, warum der neue Plan der Bundesregierung im Kampf gegen Kinderpornos umstritten ist.

2.
Regierungsplan gegen Kinderporno-Seiten umstritten

Im Kampf gegen Kinderpornografie will die Bundesregierung entsprechende Seiten im Internet nun löschen statt sie zu sperren - und erntet auch für diesen Vorstoß deutliche Kritik. Bundespräsident Horst Köhler sei vom Kanzleramt über das neue Vorhaben von Union und FDP informiert worden, sagte ein Sprecher des Justizministeriums. Köhler hatte das Gesetz der schwarz-roten Vorgängerregierung zum Sperren der Internetseiten bisher nicht unterzeichnet und von der neuen Koalition ergänzende Informationen verlangt. Kritiker halten auch die neue Maßnahme für unwirksam.
Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans wollte sich nicht zum exakten Inhalt der Stellungnahme an Bundespräsident Köhler äußern. Er verwies aber auf den Koalitionsvertrag, in dem vereinbart wurde, dass Union und FDP ein Löschen bevorzugen. "Spiegel Online" hatte zuvor berichtet, die Koalition wolle sich auf Basis des bisherigen Gesetzentwurfs "ausschließlich und intensiv für die Löschung derartiger Seiten einsetzen, Zugangssperren aber nicht vornehmen".

Piratenpartei: "Bestehende Gesetze reichen aus"

Doch der neue Plan, Internetseiten mit Fotos und Videos sexuell missbrauchter Kinder, zu löschen, greift aus Sicht von Netzgemeinde und Polizei ebenfalls zu kurz. "Das ist total überflüssig und lächerlich", sagte der Sprecher der Piratenpartei, Simon Lange. Bestehende Gesetze reichten bereits aus, um Kinderporno-Seiten zu löschen. "Wichtig ist ein langfristiger Effekt, und der wird nicht mit dem Löschen von Seiten, sondern mit klassischer Polizeiarbeit gegen die Hintermänner der Seiten erzielt", sagte Lange. Es sei nur eine "Fingerübung", Gelöschtes bald wieder neu einzustellen.
Das bereits von Bundestag und Bundesrat beschlossene Internetsperren-Gesetz hatte 2009 zur Amtszeit der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) für Wirbel gesorgt. Kritiker aus der Internetgemeinde hatten von der Leyen den Namen "Zensursula" verpasst und moniert, dass die Sperren leicht zu umgehen seien. Zudem drohe die Gefahr, dass die Behörden in einem undurchsichtigen System auch andere Inhalte als Kinderpornografie ausradierten - das beschneide das Grundrecht der Meinungsfreiheit.

CCC: Politker und Behörden haben zu wenig Technikverständnis

Der Sprecher des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Bernd Carstensen, sagte, löschen sei nicht wirkungsvoller als sperren: "Wir müssen hinter die Webseiten kommen, dort, wo die tatsächlichen Täter sitzen und wo die Kinder missbraucht werden." Die Regierung müsse die Kompetenzen der Ermittler stärken, die Kinderpornografie weltweit zu verfolgen. "Die Server stehen zum Beispiel in Moldawien, Brasilien oder Südafrika. Es geht um internationale Zusammenarbeit."
Kritik kam auch von Netzaktivisten wie Markus Beckedahl. "Wird mit der Umformulierung des Gesetzes zukünftig nachhaltig verhindert, dass weitere Sperrfantasien wieder auferstehen?", fragt Beckedahl in seinem Blog netzpolitik.org. Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club (CCC), forderte ebenfalls, dass das Gesetz nicht durch die Hintertür wiederkehren dürfe. Generell sei es ein Problem, dass Politiker und Strafverfolgungsbehörden bei ihrer Kompetenz über technische Zusammenhänge großen Nachholbedarf hätten.

Quelle

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